„Man könnt‘ erzogne Kinder gebären, wenn die Eltern erzogen wären.“
(Johann Wolfgang von Goethe)

Ursprünglich wollte ich meinen März-Blog dem Thema „Leichtigkeit“ widmen. Alles war schon im Kopf geplant und vorbereitet. Dann las ich heute Morgen den nachfolgenden Text von Otmar Schnurr, „dem Bruddler“, in unserer Tageszeitung. Meine Entscheidung war klar und stand sofort fest: Die Leichtigkeit muss warten – im März muss ich diesen Text weitergeben, etwas dazu schreiben, denn das ist ein Thema, das mich immer wieder beschäftigt. Zunächst nun aber Otmar Schnurrs Text mit der Überschrift „Zwanglos“:

„Freiburg. Zum Frühstücken in einem Café. Am Tisch gegenüber sitzt ein junges Paar mit einem etwa drei Jahre alten Kind, das sich intensiv mit einem Glas Mineralwasser beschäftigt, während seine Eltern frühstücken. Ich bestelle frohgemut ein Frühstück der höheren Preisklasse, ab und zu darf man sich ja ein wenig verwöhnen. Das Kind mit dem Mineralwasser ist in seine Tätigkeit vertieft. Es greift mit der Hand in sein Glas hinein, holt Eisbrocken heraus, steckt diese in den Mund, um sie dann wieder ins Glas zurück zu spucken. Mir wird mein Frühstück serviert, es gibt zwei Brötchen, Butter, ein Ei, Marmelade, Käse und Wurst, Das Kind am Tisch gegenüber richtet nach und nach ein Chaos an, doch seine Eltern frühstücken und lassen es gewähren. Es versucht, mit seinem Trinkhalm das Mineralwasser aufzuschäumen, ein Teil des Mineralwassers schwappt auf den Tisch, das Kind schlägt mit der flachen Hand in die entstandene Pfütze und lacht laut auf. Dann werden die Eisbrocken herausgeholt, um nach kurzer Zeit ins Glas zurückgespuckt zu werden. Seine Mutter bietet ihm ein Stück von einem Brötchen mit Marmelade an, das Kind probiert und spuckt das „Versucherle“ dann auf den Tisch. „Das ist aber nicht schön“, sagt die Mutter und wischt es weg.

„Des isch jetz Erziehung uhni Zwong“ (Anmerkung Annette für alle Leser, die des Badischen nicht mächtig sind: „Das ist jetzt Erziehung ohne Zwang“), geht mir durch den Kopf, und genau in diesem Moment wird mir klar, dass ich in solchen Situationen meinen Kindern gegenüber autoritär und repressiv war. Ich schäme mich fast zu sagen, dass meine Kinder sich das in meiner Anwesenheit nicht getraut hätten…auch sonst nicht.“

Otmar Schnurr
(Quelle: ABB vom 2.03.2018/Ausgabe Nr. 51/Rubrik „Aufgespürt“, S. 27)

Was Goethe dazu sagen würde, siehe oben – Was ich dazu zu sagen habe, siehe unten:

Es liegen da schon Welten zwischen autoritärem/repressivem Erziehen und der „zwanglosen“ (laissez-faire) Erziehung…n'est-ce pas?

Oh ja, gewiss, die Kinder sollen sich und ihre Umwelt entdecken dürfen, das ist wichtig und förderlich für die Entwicklung und Intelligenz (auch die soziale…) unserer Kinder.

Manchmal aber, das will ich als aktiv-erziehende Mutter betonen, möchte ich einfach nicht „zwanghaft“ am „Jugend forscht-Projekt“ anderer Familien teilhaben müssen, auch wenn (gerade weil) dies ganz zwanglos und ungefragt geschieht. Überlegungen der Eltern, ob Ort und Umgebung denn auch den richtigen Rahmen für Forschungsarbeiten abgeben, sich das Umfeld und Gegenüber vielleicht auch gestört, belästigt oder genervt fühlen könnte, empfinde ich nicht als ganz unangebracht. Ganz im Gegenteil.

Forschen, Erfarungen sammeln, wachsen, sich entwickeln und viels verstehen können, ergänzt um Kommunikation, Verantwortung und Anstand – das sind für mich wunderbare „Forschungs-Voraussetzungen“, um zu wertvollen Forschungs-Ergebnissen kommen zu können, nicht zuletzt auch im sozialen Miteinander.

Mit vielen Klienten arbeite ich ein „Zuviel“ an Kommunikation, gerade auch an autoritärer und repressiver, aus deren Kindheitstagen auf, was heilsam und befreiend ist.

Aber Vorsicht:

Ein „Zu Wenig“ an Kommunikation, Auseinandersetzung und Reibung mit den Kindern– das kann und wird für so manchen Heranwachsenden auch zum belastenden und „zwanghaften“ Thema werden, ist es übrigens bereits bei vielen schon...

WENN ES ANGEBRACHT IST, DANN WERTET EIN KLARES NEIN DIE BEDEUTUNG EINES EBENSO KLAREN JA DOCH ERST RICHTIG AUF

Wir sollten uns schon immer wieder aktiv in die Erziehung und Kommunikation unserer Kinder einmischen, auch wenn wir zu gerne zwanglos in Ruhe frühstücken wollen etc… Das familiäre Forschungsfeld, das sich uns da zeigt, ist ein breites, spannendes und herausforderndes, aber ganz klar das der Eltern.

Paul Watzlawick, der mit seinen Arbeiten großen Einfluss auf die Familientherapie und allgemeine Psychotherapie nahm, formulierte folgendes Zitat, mit dem ich den heutigen Blog schließen möchte:

„Man kann in der Wahl seiner Eltern nicht vorsichtig genug sein."

LEBEN mit HERZ und SEELE und das JETZT!
Eure Annette, März 2018